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Borodino

Dieses kleine Dorf, das 124 Kilometer westlich von Moskau liegt, ist in die Weltgeschichte eingegangen. Hier fand die berühmte Schlacht, eines der wichtigsten Ereignisse des vaterländischen Krieges statt. Die russische Armee unter dem Oberbefehl von Feldmarschall Fürst Michail Golenischtschev-Kutusow fügte den angreifenden Vielvölker-Truppen des französischen Kaisers Napoleon einen solchen Schlag zu, dass sie sich von diesem nicht mehr erholen konnten.

An der ,,Schlacht der Giganten", wie Napoleon selbst die Schlacht bei Borodino bezeichnete, nahmen eine Viertelmillion Mann und über tausend Geschütze teil. ,,Von allen meinen Schlachten," schrieb Napoleon, " war jene, die ich bei Moskau lieferte, die schrecklichste. Die Franzosen zeigten sich in Ihr würdig, den Sieg zu erringen, die Russen aber erwarben das Recht unbesiegbar zu sein."

Am 7. September 1812 kämpfte Napoleon gegen die Russen bei Borodino mit rund 130.000 Mann. Etwa 130.000 bis 155.000 Mann mußten sich demnach zum größten Teil bereits ,,verkrümelt" haben, denn die Zahl der in den Städten zurückgelassenen Garnisionstruppen, Kranken, Verwundeten und Toten kann nicht allzu hoch gewesen sein.

Die Zahl aber schwand weiter. Der russische Oberbefehlshaber Kutusow (1745-1813), der mit der Weite des Raumes rechnete, zog mit seiner ,,Parthertaktik", die für die Russen zum Symbol der Unbesiegbarkeit des russischen Volkes und Landes geworden ist, die Franzosen immer weiter hinter sich her. Im September überliess er ihnen sogar noch Moskau. Nach Angaben des Generals de Caulaincourt, der das Stabsquartier Napoleons befehligte, verfügte Napoleon nach Heranziehen der Divisionen Pino und Delaborde in Moskau noch über 87.500 Mann Infanterie, 14.760 Mann Kavallerie und 533 Geschütze. Von der gewaltigen Streitmacht, die seine Hauptarmee im Juni gebildet hatte, waren nur noch kümmerliche 102.260 Mann übriggeblieben.

Während Napoleon und seine Truppen ungeduldig auf den versprochenen Nachschub aus Wilna und Minsk warteten, steckten die Russen am 15. September ihre Hauptstadt in Brand, um die Versorgung des französischen Heeres aus den dortigen Lagern unmöglich zu machen. Der Brand wütete bis zum 20. September.

Doch die milde Witterung und die Hoffnung, daß der Nachschub doch noch eintreffen möge, hielten, wie Caulaincourt berichtet, den Kaiser immer noch davon ab, den Rückzug anzutreten, obwohl er allmählich erkannte, daß ein weiteres Verfolgen der Russen in die Weite des Raumes nicht möglich war. Erst am 19. Oktober 1812 trat er den Rückzug an. Und jetzt erst geschah das, was in so vielen Büchern zu lesen ist. Zunächst quälte der Hunger das fast ohne Nachschub marschierendes Heer. Dann setzten Frost und Kälte ein. Immer noch hielt der Kern der Truppen zusammen, sodass die zögernd folgenden Russen nur auf Requisitionskommandos und Versprengte trafen.

Den Rest aber gab dem Heere der Übergang über die Beresina vom 26. bis 28 November 1812, bei dem schließlich eine Panik ausbrach. Hätten die Russen hier energischer zugepackt und wären sie geschickter geführt worden, so hätte dieser Übergang die Vernichtung des Napoleonischen Heeres bedeuten können. Dennoch brachten Hunger, Kälte und Krankheiten die auf 30.000 Mann zusammengeschrumpfte Armee zur Auflösung. Napoleon selbst aber verliess die Armee, eilte unter einem Pseudonym durch Europa und tauchte in Paris auf, um den Putsch des Generals Malet, der bereits im Oktober erfolgt war, zu zerschlagen, sein Regime zu festigen und eine neue Armee aufzustellen.

Die Trümmer der Hauptarmee erreichten Ende 1812, angeblich 1.000 Mann mit 60 Pferden und 9 Geschützen die preußische Grenze. Die Legende bemächtigte sich dieses Ereignisses und berichtet von Michel Ney, ,,Le brave des braves", dem Tapfersten der Tapferen, Marschall von Frankreich und ,,Fürst von Moskau", der als Kommandant der Nachhut oftmals mit dem Gewehr in der Hand als einfacher Infanterist den Rückzug der französischen Armee deckte. Wie er als Letzter in schmutzstarrender, zerfetzter Uniform preußischen Boden betrat und dort in ein Offizierskasino eintreten wollte, versuchte man, es dem Zerlumpten zu verwehren. Da schleuderte er den ,,Etappenschweinen" jenen denkwürdigen Satz entgegen, der von dem durchaus gesunden Selbstbewußtsein des Frontsoldaten zeugt: ,,Gemach, meine Herren, erkennen Sie mich nicht? Ich bin die Nachhut der Großen Armee - Ich bin Michel Ney!"

In Deutschland aber wurde die Katastrophe als Gottesurteil empfunden. Sie entflammte darüber hinaus in ganz Europa den nationalen Widerstand gegen französische Fremdherrschaft. Dies konnte um so leichter geschehen, als österreichischen und preußischen Hilfskorps verhältnismäßig ungeschoren den russischen Kriegsschauplatz verlassen hatten.

7. September 1812 – Borodino

Am 23. Juni 1812 begann Napoleon mit seiner 450.000 Mann starken Großen Armee den Feldzug gegen Russland. Anfang September stand er den russischen Hauptkräften gegenüber. Bisher hatte der Feldzug noch keine entscheidende Aktion gebracht, aber Krankheiten haben bereits mehr Verluste gebracht als Gefechte. Die 130.000 Mann, die nun bei Borodino standen waren der Rest von ca. 300.000 Mann, die den Njemen überschritten hatten. Tausende von Pferden waren zugrunde gegangen und die übriggebliebenen waren nicht bester Kondition. Auch die Soldaten hatten unter unzureichender Verpflegung zu leiden gehabt, da die auf Versorgung aus dem Lande eingestellte Verwaltungsorganisation nicht in der Lage war, für so eine gewaltige Armee zu sorgen. Die körperlich Schwachen waren den Anstrengungen erlegen, die Überlebenden erfüllten mannhaft ihre Pflicht.

Der russische Feldherr Fürst Golenischtschew-Kutusow konnte Napoleon etwas über 120.000 Mann entgegen stellen, die an patriotischer und religiöser Begeisterung dem Enthusiasmus der Franzosen für ihren Kaiser nicht nachstanden. Die verbissene Tapferkeit der Russen hielt dem Ungestüm der Franzosen die Waage.

Jeder der beiden Feldherren hatte sein Handicap: Kutusow war 67 Jahre alt und so beleibt, daß er nur unter Schwierigkeiten zu Pferde steigen konnte, Napoleon konnte an diesem Tag vor schwerer Erkältung kaum sprechen, aber vielleicht noch mehr bedrückte die große Entfernung von seiner Hauptstadt Paris seine frühere Aktivität.

Die beiden Armeen waren annähernd gleich stark:
 

Franzosen Russen
Kavallerie 28.000 17.000
Kosaken 7.000
Infanterie 86.000 72.000
Miliz 10.000
Artilleristen 16.000 14.300
Geschütze 587 640
Insgesamt 130.000 120.000

Napoleons zahlenmässige Überlegenheit war nicht so gross, daß ihm der Erfolg im Angriff absolut sicher war. Er musste daher einen Schwerpunkt gegen einen Teil von Kutusows Front bilden und diesen vernichten, ehe er verstärkt werden konnte. Kutusow hatte ihm den Gefallen getan, seinen rechten Flügel entlang der Kolotscha auszudehnen, und bot so dem Kaiser die erwünschte Gelegenheit.

Am 5. September erstürmte die Division Compans des 1. Korps Davout eine vorgeschobene Schanze bei Schewardino und am nächsten Tag erkundete Napoleon die klar sichtbare russische Hauptstellung. Kutusows linker Flügel von Utitza bis zur Kolotscha war offenbar leichter anzugreifen als der rechte, aber die Russen hatten beiderseits Semenowskoje drei starke Schanzen aufgeworfen. die unter dem Namen ,,Große Schanze" und ,,Bagrations Schanzen" bekannt wurden. Marschall Davout, alter Infanterist und geschickter Taktiker, schlug eine Umfassung des linken russischen Flügels über die alte Smolensker Straße und durch den Wald bei Utitza vor, aber Napoleon verwarf diesen Plan, da er befürchtete, die Russen würden sich dann über Moshaisk zurückziehen und ihm keine Gelegenheit zu einer Entscheidungsschlacht geben. Ein Frontalangriff würde zwar schwieriger sein, aber die Russen müssten die Schlacht annehmen. Kutusow hatte jedoch nicht die Absicht, den Franzosen das "Heilige Moskau" ohne Schlacht preiszugeben.

Die Artillerie, die einen gewichtigen Anteil an der Schlacht hatte, verfügte über dreierlei Geschosse: Kartätschen mit einem Hauptwirkungsbereich innerhalb 300 Meter, Vollkugeln, und noch unvollkommene Granaten. Die normale Feuergeschwindigkeit war etwa 1 Schuß in der Minute.

Das Infanteriegewehr schoss sogar innerhalb von 100 Meter ungenau, der Prozentsatz der Versager war hoch. Ein geübter Infanterist konnte 3 Schuß in der Minute abgeben. Russen und Franzosen manövrierten in tiefen Kolonnen und verließen sich ebenso auf das Bajonett, wie auf die Feuerwaffe. Ein geschlossenes Carrè konnte mit seinen Salven auch Kavallerieattacken abwehren.

Die Kavallerie beider Armeen suchte den Erfolg im Schock der Attacke. Es galt, erst in den letzten 200 Metern ins volle Carrière überzugehen, sodass der Zusammenprall mit dem Gegner noch mit geschlossener Wucht erfolgte.

Kutusows Schlachtdisposition war defensiv, er plante keine Gegenoffensive und hielt seine Kavallerie in zweiter Linie hinter der Infanteriefront für lokale Gegenattacken bereit. Dahinter stand die Garde als Reserve hinter dem Zentrum. Während der Nacht vor der Schlacht wurde das III. Korps des Generals Tutschkow vom rechten an den äußersten linken Flügel verlegt, um die alte Smolensker Landstraße und ein Bollwerk zu besetzen, das unter dem Namen ,,Mamelon von Utitza" bekannt wurde.

Die Führung durch Kutusow war nicht besonders wendig, er griff kaum selbst ein und überliess die Führung der Schlacht seinen beiden untergebenen Armeeführern, rechts und Mitte Barclay de Tolly (1. Armee) und links Fürst Bagration (2. Armee). Diese übergingen mit ihren Befehlen an einzelne Divisionen oft deren Korpskommandeure.

Napoleons Schlachtplan war einfach, er sah einen Nebenangriff und zwei Hauptangriffe vor. Fürst Poniatowski mit dem V. Korps (10.000 Polen) hatte Utitza zu nehmen und dann den linken russischen Flügel zu umfassen - dies der Nebenangriff. Davout mit 3 Divisionen seines 1. Korps sollte ,,Bagrations Schanzen" stürmen und sodann Ney mit seinem III. Korps und dem VIII. westfälischen Korps Junots das Dorf Semenowskoje nehmen.

Dem Prinzen Eugen Beauharnais, dem Vizekönig von Italien, am linken Flügel fiel die Aufgabe zu, mit seinem IV. Korps und 2 Divisionen des Korps Davout nach der Einnahme von Borodino die Kolotscha zu überschreiten und dann die ,,Große Schanze" zu erstürmen. In zweiter Linie standen 4 Kavalleriekorps unter Murat, dem König von Neapel; die Kaiserliche Garde blieb Reserve.

Am Abend des 6. September gab Marschall Berthier, Napoleons Generalstabschef, die Einzelbefehle aus, nach denen am nächsten Tag zwei große Armeen dicht massiert auf einer Front von 3 Meilen zusammenstiessen. Es war der Entwurf für ein ungeheures Blutbad.

Nach nebliger Nacht meldete Ney um 5 Uhr die Angriffsbereitschaft und erbat den Angriffsbefehl. Der Kaiser ritt nach der Schanze von Schewardino. die er sich als Gefechtsstand erkoren hatte. Kutusows Gefechtsstand war Gorki, das ihm eine gute Übersicht über das Schlachtfeld bot.

Um 6 Uhr eröffneten die Franzosen mit über 100 Geschützen auf "Bagrations Schanzen" das Artillerieduell. Davout begann den Angriff mit seinen Divisionen Dessaix und Compans gegen die linke Schanze. Zwei Stunden tobte der wechselvolle Kampf mit Angriffen und Gegenangriffen, zu Pferd und zu Fuß, über den Abschnitt. Mehrmals wechselten die Schanzen den Besitzer, und unaufhörlich schwoll das Geschützfeuer an. Bagration holte Konownitschins 3. Division vom äussersten linken Flügel (III. Korps) und aus der Reserve den Fürsten Galitzin mit der Hälfte der Gardekürassiere heran. Als Marschall Ney seine 10. Division Ledru in vorzüglicher Haltung zum Angriff vorführte, galoppierte der ritterliche Bagration vor seine Front und grüsste die feindlichen Kolonnen mit dem Ruf: ,,Bravo, Messiers, c'est superbe".

Davout und seine beiden Divisionskommandeure wurden verwundet ebenso wie auf der russischen Seite Fürst Gortschakow und dessen beide Divisionskommandeure. Dieser lange Kampf gab Kutusow Zeit, Bagration durch das II. Korps von Barclays rechtem Flügel zu verstärken. Auch Napoleon griff ein, wenn auch weniger glücklich. Als er von Neys erstem - wie sich herausstellte vorübergehendem - Erfolg im Sturm auf die Schanzen erfuhr, sandte er Junots VIII. westfälisches Korps in den Wald von Utitza, um die Lücke zwischen Davout und Poniatowski auszufüllen. Als sie dort ankamen, wurden sie von der soeben eingetroffenen Division des Herzogs Eugen von Württemberg zurückgeworfen, und Ney verlor damit jede Reserve im Höhepunkt seines Kampfes mit Bagration.

Am linken Flügel war des Vizekönigs Angriff verzögert worden, da die Division Delzons nach der Einnahme von Borodino zu stürmisch vordrang und auf Doktorows VI. Korps im russischen Zentrum stieß. Sie mußte nach Borodino zurückweichen. Unterstützt vom Kavalleriekorps Grouchy überschritt nun Eugen mit 3 Divisionen die Kolotscha auf vier kleinen Pontonbrücken und stellte sich zum Angriff auf die Große Schanze bereit.

Im Kampf um Semenowskoje setzte Napoleon selbst nach einigen Zögern die Division Friant, die Reserve Davouts, ein. Sie wurde jedoch schließlich von Konownitschin wieder aus den Ruinen des Dorfes geworfen. Da Bagration immer noch Verstärkungen erhielt, gliederten sich Ney und Davout zunächst zur Abwehr entlang dem Hohlweg bei Semenowskoje. Bagration stürzte sich wieder auf die französischen Linien in der Hoffnung, die Initiative zurückzugewinnen, und wurde dabei tödlich verwundet. Die Russen waren beinahe am Ende ihrer Kraft, aber dem stoischen Konownitschin gelang es, sie hinter dem Hohlweg zu ordnen. Doktorow übernahm nun die Führung der zweiten Armee. Auf längere Sicht hatten die Franzosen zuletzt doch einen Vorteil gewonnen.

Am rechten Flügel hatte Poniatowski Utitza genommen, aber bei seinem Versuch, die Russen zu umfassen, war er auf Tutschkows III. Korps gestossen. Mit Junots Hilfe gelang es ihm schließlich, den ,,Mamelon" zu erstürmen. Tutschkow trieb die Polen wieder zurück, aber bezahlte den Erfolg mit seinem Leben.

Bald nach dem Kampf Friants um Semenowskoje macht Eugen einen schweren Fehler, indem er die vereinzelte Division Morand zu einem vergeblichen Angriff gegen Rajewskys VII. Korps ansetzte, das mit Teilen die große Schanze deckte.

Auf dem äussersten linken Flügel der Franzosen hatte eine an und für sich nebensächliche Episode einen bezeichnenden Einfluß auf den Fortgang der Schlacht: Eugen hatte Ornanos leichte Kavallerie nördlich von Borodino zu seinem Flankenschutz eingesetzt. Sie wurde von Uwarows 3.000 Reitern des 1. Kavalleriekorps überfallen und überwältigt. Delzons bildete dahinter Carrès und hielt die Russen auf. Inzwischen waren 5.000 Kosaken unter Platow in Delzons Flanke gekommen, und dieser, durch den Wald von Lanzen beeindruckt erbat Hilfe von Eugen. Doch die Kosaken blieben untätig, und Uwarow hatte keine Lust, Carrès anzugreifen. Trotzdem blieb Napoleon eine Stunde lang im ungewissen über die russischen Absichten.

In Semenowskoje wollten nun Ney und Murat den Rückschlag Bagrations ausnützen. Murat beschloß, zwei Kavalleriekorps über den Hohlweg einzusetzen. Das erste, Nansouty, stürzte sich auf den linken Flügel Konownitschins, aber die im Carrè stehenden Ismailowschen und Litauischen Garderegimenter wiesen die Attacke ab, und 5 russische Kürassierregimenter trieben Nansouty wieder zurück. Dem Kavalleriekorps Latour-Maubourg erging es südlich von Semenowskoje nicht besser.

Aber die Gesamtlage war nun doch für die Russen ausserordentlich ernst geworden. Die 2. Armee wurde in ziemlicher Unordnung zum Zurückgehen gezwungen, obwohl Paskiewitschs Division noch ihre Stellung in der Großen Schanze hielt. Pulverrauch und Staub, durch die ständigen Kavallerieattacken, verbarg dem Kaiser den erschütterten Zustand des russischen linken Flügels. Die Marschälle wollten ihre schwer mitgenommenen Divisionen nicht ohne frische Verstärkung weiter vortreiben. Noch war die Kaiserliche Garde, 20.000 Mann stark, in Reserve, aber Napoleon wollte sie nicht einsetzen.

Der Schwerpunkt der Schlacht verschob sich nun zur Großen Schanze. Um 14 Uhr setzte Eugen 3 Divisionen zum Angriff an. Montbrun, einer der großen Reiterführer des Kaiserreichs, bereitete deren Unterstützung mit seinem Kavalleriekorps vor, als er durch einen Kanonenschuß tödlich getroffen wurde. General de Caulaincourt übernahm das Kommando und führte eine verzweifelte Attacke durch. Im massierten Artillerie- und Infanteriefeuer brach er tatsächlich an der Spitze des 5. Kürassierregimentes in die Schanze ein und fiel dabei. Doch sein Opfer war nicht umsonst, Eugens zweiter Angriff war nun erfolgreich, und gegen 15 Uhr wurde die "Grosse Schanze" genommen.

Die Franzosen drangen noch bis zu den Höhen bei Gorki vor, aber nun waren auch sie nach dem achtstündigen Blutbad so erschöpft, dass nur noch die beiderseitige Artillerie bis zum Einbruch der Dunkelheit feuerte.

Am rechten Flügel griff Poniatowski noch einmal den "Mamelon" von Utitza an, und die Russen gingen auf die dahinter stehende Moskauer Miliz zurück, die zum mindesten den Eindruck erweckte, daß immer noch frische Reserven vorhanden waren. In der Nacht marschierte Kutusows ganze Armee ab, und eine Woche später war Napoleon in Moskau.

Die Verluste dieses furchtbaren Kampftages sind nicht genau festzustellen. Von den 250.000 Mann, die an der Schlacht beteiligt waren, waren etwa 28 % tot oder verwundet, die Franzosen verloren über 30.000 Mann, die Russen etwa 40.000 Mann. Die Verluste unter den Generälen waren sehr hoch. Der Tod Bagrations war ein schwerer Schlag für die Russen.

Außerdem war Tutschkow gefallen, und mindestens 9 Generäle waren verwundet, darunter Galitzin, Konownitschin, Jermolow, Barclays Stabschef, und der Prinz von Mecklenburg. Auf der französischen Seite waren 3 Divisionsgeneräle gefallen und 11 verwundet darunter alle 4 Kavalleriekorpskommandeure und 34 Brigadegeneräle. Die französische Artillerie hatte 60.000 Schuss, die Infanterie 1,400.000 Schuss verschossen.

Wenn Kutusow mit seiner Armee später zu weiteren Kämpfen fähig war, so verdankte er dies eher seinem Gegner als eigenen geschickten Dispositionen. Weder in der Planung noch in der Leitung der Schlacht war Napoleon seinem Ruf gerecht geworden. Sein ursprünglicher Plan zeigte Mängel. Poniatowskis Korps mit beiden offenen Flanken war für seine Aufgabe nicht stark genug. Die Verstärkung Eugens durch 2 Divisionen Davouts am Vorabend der Schlacht war ein erheblicher Fehler. Hätte Davout von Anfang an 5 Divisionen gehabt, hätte er im Semenowskoje-Abschnitt rasch Erfolg haben können. Auch wurde wenig unternommen, um Barclays Armee zu fesseln, und dadurch die Abgabe von Kräften an Bagration zu verhindern.

Napoleon hatte zwei Gelegenheiten, Bagrations Flügel zu zerschlagen. Die erste Chance vergab er durch ungenügende Stärke des ersten Angriffs. Die zweite verlor er, als er es versäumte, Neys Erfolg durch den Einsatz der Garde oder wenigstens der Jungen Garde auszunützen. In Wahrheit überliess er die Führung der Schlacht mehr oder weniger seinen Generälen; wenn er eingriff war es eher zum Nachteil als zum Vorteil. Der große Stratege hat sich hier keineswegs als gleichwertiger Taktiker erwiesen. Sicherlich wusste er seine alte Waffe, die Artillerie wirkungsvoll einzusetzen, aber im übrigen begnügte er sich damit, tiefe Kolonnen von Reitern und Fußvolk anzuhäufen und dann seinen Generälen das Weitere zu überlassen.

Bei den Franzosen war Marschall Ney, ,,Le brave des braves", der wirkliche Held der Schlacht, der seinen Titel ,,Prince de la Moskwa" ehrlich verdient hatte. Auf der russischen Seite war es bewundernswert, wie Bagration die Zeit für Kutusow gewann, seine ursprünglichen Fehler gutzumachen. Ebenso verdient die überlegte Führung Konownitschins während der Krise der Schlacht hervorgehoben zu werden.

Von Napoleons ,,Grande Armee", von den Tapferen aller Volksstämme, die bei Borodino fochten, war es nur wenigen gegönnt, ihre Heimat wiederzusehen.

Geschichtsdenkmal Borodino
Das Ziel Napoleons in allen seinen Feldzügen war es, das feindliche Gebiet schnellstens zu erreichen und den Gegner in einer Generalschlacht zu besiegen. Doch die Standhaftigkeit und die Tapferkeit der russischen Soldaten waren für ihn ein unüberwindliches Hindernis bei der Erreichung dieses Zieles. Aber wie gross waren die Opfer! Sie sind an anderer Stelle erwähnt.

Der grosse russische Schriftsteller Lew Tolstoi schreibt in seinem Roman "Krieg und Frieden" über die Folgen dieser Schlacht: "Nach dem einmal erfolgten Anstoss konnte das französische Heer sich automatisch noch bis Moskau weiterbewegen; aber dort musste es, auch ohne neue Anstrengungen des russischen Heeres, zugrunde gehen, verblutend an der tödlichen Wunde, die es bei Borodino empfangen hatte .... . Die moralische Kraft der angreifenden französischen Armee war erschöpft."

Die Erde auf dem Feld von Borodino scheint für immer vom Geruch des Pulvers und des glühenden Eisens durchtränkt zu sein. Jedes Jahr wird am ersten Sonntag im September der Helden gedacht, die für ihre Heimat das Leben gaben.

Eine dramatisierte Schau läuft ab. Über den Köpfen der Teilnehmer wehen die Banner von 1812. Bajonette und Husarentschakos blitzen in der Sonne, die Lunten brennen. Die Mündungsfeuer und die Rauchwolken verschmelzen zur vielstimmigen und buntfarbigen Palette der Schlacht. Vor den Zuschauern wechseln die Bilder und geben eine Vorstellung vom historischen Ereignis. Die Uniformen der Vergangenheit und die moderne Pyrotechnik schaffen zeitweilig nahezu die Illusion, die Schlacht mitzuerleben.

Den Soldaten in den Uniformen des Jahres 1812 aber folgen andere. Das Feld von Borodino erinnert auch an die Zeit des "Großen vaterländischen Krieges" in den Jahren 1941-1945. Auch im Oktober 1941 tobten hier erbitterte Kämpfe. Aber auch dieser Gegner musste in den Stürmen des russischen Winters wieder zurück.

Heutzutage stellt das Feld von Borodino ein einmaliges Geschichtsdenkmal Russlands und eine doppelte Gedenkstätte dar. Von markanten Geländepunkten bieten sich Ausblicke auf das gesamte Feld von Borodino und seine nähere Umgebung, ein Museum zeigt reiche Sammlungen aus der Zeit des Krieges von 1812, Waffen und Ausrüstungsgegenstände, Fahnen und Standarten, Gemälde und Plastiken. Daneben persönliche Dinge der Befehlshaber. 

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